Wegen der großen Nachfrage und des Erfolges der ersten Veranstaltung führte die Fröbel gGmbH in Kooperation mit dem Jugendamt der Stadt leipzig sowie dem Zentrum für Bildungsgesundheit am 5. Dezember 2007 den 2. Fachtag Risikoberuf Erzieherin durch. Pd Dr. habil. Marcus Stück stellte die Ergebnisse einer Pilotstudie der Universität Leipzig, Fachbereich pädagogische und Rehabilitationspsychologie vor und erläuterte mögliche Wege zur Belastungsreduktion der Erzieher.
Inhaltsverzeichnis
Forschen für bessere Arbeitsbedingungen
Nach seinem Studium der Psychologie in Leipzig und London arbeitet er seit 1994 an der Entwicklung und Evaluation verschiedener Trainings im pädagogischen Feld am Institut für pädagogische und Rehabilitationspsychologie der Universität Leipzig. Für seine Arbeiten, wie einem systemischen Stressreduktionskonzept mit Yoga und Biodanza im Schulbereich oder Entwicklung des ersten wissenschaftlich evaluierten Yogaprogramms für Kinder in Deutschland, erhielt er im Jahr 2005 bereits zum zweiten Mal den Wissenschaftspreis der pädagogischen Stiftung Cassianeum.
ErzieherInnen benötigen angemessene Bewältigungsmuster
Erzieherinnen sind zunehmend Belastungen ausgesetzt sind, die sie mit nicht angemessenen Bewältigungsmustern verarbeiten. In den Curriculum-Kursen klagten die Erzieherinnen zunehmend über die Überforderung durch Schreibarbeit und die daraus resultierenden Stressmomente.
„…die Zeit zum Austausch fehlt! Es wird nur noch geschrieben über das Kind oder die Kita…ich war schon mal weiter in der Arbeit mit Kindern…“
„…zu wenig Zeit für die intensive Arbeit mit den Kindern, da immer mehr schriftliche Arbeiten zu erledigen sind.“
„…wir werden mit Aufgaben überhäuft, füllen Fragebögen aus, schreiben Beobachtungsprotokolle, arbeiten Aufgabenstellungen der Leitung aus, sind unendlich viel mit Theorie beschäftigt, nebenbei…andere Verantwortlichkeiten für organisatorische Dinge in der Einrichtung, Elternarbeit, Druck von „oben“ (Leitung), Angst vor Repressalien, Erfahrungen von langjährigen Erzieherinnen finden kein Gehör, man beginnt, sich zurückzuziehen, zu resignieren, Dienst nach Vorschrift zu machen.“
Mehr Praxis mit dem Kind gewünscht
Die Erzieherinnen wünschen sich mehr nicht-evaluierbare Arbeitskomponenten. Sie möchten das das Leben und das Kind auch weiterhin im Mittelpunkt ihres Tuns steht. Im Moment stellt der Beruf der Erzieherin noch keinen Risikoberuf wie der des Lehrers dar. Aber schon jetzt sehen die Erzieherinnen, dass sich immer mehr von ihnen überfordert und missverstanden fühlen. Sie nehmen eine schonende Arbeitshaltung ein – ziehen sich zunehmend aus dem Arbeitsleben zurück und holen sich ihre Lebenszufriedenheit im Privatbereich. Es kommt zunehmend zu Syptomen des „Ausbrennens“ , was sich langfristig in einem Anstieg der Krankenstände niederschlägt. Dabei muss gerade die Erzieherin entspannt mit dem Kind spielen können, denn Kinder nehmen jede kleine Änderung auf der emotionalen Ebene verstärkt war und interpretieren den plötzlich fehlenden emotionalen Kontakt schnell als „nicht angenommen sein“ bzw. „nicht geliebt sein“.
Dr. Marcus Stück zeigt in seinem Positionspapier „Wie ein Hamster im Laufrad“ mögliche Perspektiven zur Lösung dieser Probleme.
Tagesworkshop zur Reflektion
Der Tagesworkshop sollte ein Forum für Erzieherinnen bieten, ihre Verhaltens- und Erlebnismuster zu reflektieren. „Wann und in welcher Situation gerate ich wie in Stress und wie bewältige ich ihn?“ Mögliche Stressoren treten auf, wenn eines dieser 4 Bedürfnisse bedroht wird nach:
- Umweltkontrolle
- Selbstentwicklung
- Selbstkontrolle
- sozialer Integration
Verhaltenmerkmale bei Stress sind zum einem aggessives Verhalten. Es kennzeichnet sich dadurch, dass die Erzieherinnen situationsbezogen auf das Problem zugehen und es beseitigen. Der größere Teil vermeidet jedoch diese Situtionen und schützt sich durch unbewussten inneren Rückzug vor möglichen Depressionen.
Stressregulierung durch subjektbezogene Reflexion
Ein Ausweg aus dieser Situation sind Maßnahmen, die sich in die Kategorie subjektbezogene Reflexion einordnen, was sich im darüberreden mit den Kollegen, der besten Freundin oder der Familie – aber auch im Glas Rotwein zu Hause, dem heißen Bad sowie einem Stück Schokolade äußert. Fast 95% der anwesenden Teilnehmer gleichen ihren Stress durch solche Regulierung des Selbstsystems aus – leider mit begrenzten Wirkungsradius. Den Versuch ihr Mensch-Umweltsystems zu regulieren, und damit offensiv sowie aktiv mit Stress situationsbezogen umzugehen – nämlich mit z. B. Fort- und Weiterbildungen gaben nur einige wenige als Lösungen an.
Gerade hier liegen aber langfristig die Chancen, den Beruf Erzieherin nicht zum Risikoberuf mutieren zu lassen. Das weiß auch Frau Spindler, die Geschäftsführerin der Fröbel gGmH , die in einem der ersten Statements zum Thema von den Kolleginnen und Kollegen einforderte, dass sie sich an der Gestaltung des Arbeitsalltages sowie – Platzes und Prozesses aktiv beteiligen und schlicht „sagen, was sie brauchen“ sowie lösungsorientiert an die Leitung oder den Träger herantreten. Die Erzieherinnen müssen den Entscheidungsträgern die Brisanz des Themas „Belastungsreduktion“ nahe bringen. Auch dazu sollte der Workshop zum Anlass genommen werden.
Leider wurde dies trotz grüner Punkte für Erzieherinnen, roter für Leiterinnen und blaue Punkte für die Geschäftsführer nur in geringem Maße erreicht. Bedingt sicherlich durch die unglückliche Anordnung der Tische während der Pausenzeiten bzw. der Bestuhlung während des Workshops. Eine Aufteilung in kleine wechselnde Gruppen während den Übungen wäre sicherlich zweckdienlicher und kommunikationsfördernder gewesen.
Die Selbstwahrnehmung des Körpers nutzen
Die Erzieherinnen brauchen Möglichkeiten, von ihrem „Stressberg“ wieder herunter zu kommen. Dies kann durch Körperselbsterfahrung geschehen, denn die Selbstwahrnehmung des eigenen Körpers ist der erste Schritt zur Stressbewältigung. An der Universität Leipzig wurde u. a. das Stressreduktionstraining mit Yogaelementen für Erzieherinnen zur Belastungsreduktion entwickelt. Aber auch in den Einrichtungen muss sich in der Gestaltung der Arbeitsabläufe und der Erhöhung des Personalschlüssels etwas tun. Die Veränderung der Rahmenbedingungen, also Umweltkontrolle, ist eines der langfristigsten und schwierigsten Vorhaben beim Abbau mit wiederkehrenden Stressoren.
So macht es im Arbeitsalltag wenig Sinn, den Stress permanent auf die schlechten Rahmenbedingungen zu schieben, weiß Pd Dr. habil. Marcus Stück. Das beste daraus machen bzw. rausholen, ist hier das Motto. So folgt nach Anspannung Entspannung, nach dem Streit mit der Kollegin eventuell das nächste Kommunikationstraining oder aber sie sagen einfach mal „nein“, wenn sie schon nicht mehr wissen, wo ihnen heute der Kopf steht!
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