Depressionsforschung ist wichtig und notwendig, denn laut WHO sind gut 4,4 % der Weltbevölkerung von Depressionen betroffen. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe gibt an, dass jeder 5. bis 6. Erwachsene in Deutschland mindestens einmal in seinem Leben an Depressionen erkrankt. Effizientere Wirkstoffe zur Behandlung von schweren Depressionen sind also mehr als gefragt.
Inhaltsverzeichnis
Prävalenz, Diagnose & Symptome
Mit einer Prävalenz von 5 % gehören Depressionen zu den häufigsten Erkrankungen bei psychiatrischen Störungen. Frauen sind doppelt so oft betroffen wie Männer. Depressionen zählen zu den affektiven (gefühlsbetonten) Störungen, die sich noch weiter in unipolare oder bipolare Störungen unterteilen. Die häufigste Form ist die rezidivierende, depressive Störung mit charakteristisch einmalig oder wiederkehrenden depressiven Phasen. Eine Depression ist eine Krankheit und wird entsprechend auch klinisch nach ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) bzw. DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) diagnostiziert. Klinisch elementare Symptome für eine „Major Depression“ sind u. a.: Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Verlust von Interesse und Freude, Schlaflosigkeit, Appetitverlust sowie alltägliche Müdigkeit oder Energieverlust. Differenzialdiagnostisch müssen natürlich andere organische und psychische Erkrankungen ausgeschlossen werden, da diese Symptome auch bei Begleiterkrankungen, wie Demenz, Morbus Parkinson oder Schizophrenie auftreten.
Behandlungsmöglichkeiten und Stand der Depressionsforschung
Die Ursachen für Depressionen ergeben sich nach derzeitigen Forschungsstand aus einer Kombination von verschiedenen Faktoren, wie genetischer Veranlagung, also die familiäre Häufigkeit zum einen sowie neurobiologische, psychologische und umweltbedingte Faktoren zum anderen. Dazu zählt auch eine krankhaft erniedrigte Konzentration von Neurotransmittern, wie Dopamin, Serotonin oder GABA. Letzteres steht für Gamma-Aminobuttersäure, der wichtigste inhibitorische Neurotransmitter, der die Reizweiterleitung hemmt. Die Depressionsforschung wurde in den letzten Jahren intensiviert und trotzdem gibt es nicht das eine Heilmittel, sondern meist spricht jeder individuell auf die ein oder andere Therapie bzw. Therapiekombination an. Das macht Depressionen generell schwer behandelbar. Langjährige Erkrankte können zudem Begleiterkrankungen entwickeln, wie beispielsweise
- Essstörungen
- Angst- und Panikstörungen
- Zwangsstörungen mit wiederkehrenden Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen;
- Wahnhafte Störungen
- Alkohol- und Drogenmissbrauch
- Persönlichkeitsstörungen
Keine kurzfristigen Erfolge mit Medikamenten
Die typische Behandlung ist neben einer begleitenden Psychotherapie nach wie vor die Verordnung von Psychopharmaka. Anders als beispielsweise bei bakteriellen Infekten, die z. B. mit Antibiotika gut zu behandeln sind, erfordert die medikamentöse Depressionsbehandlung ebenso wie die Psychotherapie Zeit, Kraft und Geduld. Eine Klasse häufig verordneter Antidepressiva sind die sogenannten Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SRI). Die Gabe erhöht die Serotonin-Konzentration durch Blockade des entsprechenden Wiederaufnahmerezeptors im synaptischen Spalt. Pflanzliche Mittel, wie Johanniskraut greifen nur bei sehr leichten depressiven Verstimmungen. Begleitend psychotherapeutisch bieten sich sowohl Verhaltenstherapien als auch tiefenpsychologische Psychotherapie an. Trotz Behandlung ist die Rückfallquote mit 50 % hoch, vor allem, wenn Medikamente aus verschiedenen Gründen ohne ärztlichen Rat abgesetzt werden.
Effizientere Wirkstoffe: Depressionsforschung zu Ketamin
Gerade für die Behandlung von schweren Depressionen sind effizientere Wirkstoffe nötig, wie z. B. Ketamin. Als ursprünglich synthetisiertes Narkosemittel hatte Ketamin, was auch mittlerweile als Droge verwendet wird, leider sehr starke Nebenwirkungen in Form von Halluzinationen. Trotzdem gibt es bereits erste Erfolge beim Kampf gegen Depressionen, wie das Ketamin-Nasenspray. Vielversprechend und zukunftsweisend ist auch die Studie von Henrik Weber als kooperativen Promotion an der TH Köln und an der Universität zu Köln, der von Ketamin abgeleitete Substanzen hergestellt hat, die frei von bewusstseinsverändernden Effekten sind und eine noch höhere Wirksamkeit als Ketamin besitzen, wie erste Laborversuche zeigten. Weber erklärt dazu:
„Ketamin kann die Neuroplastizität auch bei bislang therapieresistenten Depressionen anregen und bereits nach etwa 40 Minuten eine antidepressive Wirkung hervorrufen. Allerdings ist es im Alltag nur bedingt einsetzbar, da es wegen seiner bewusstseinsverändernden Nebenwirkungen und des damit verbundenen hohen Missbrauchspotenzials lediglich unter ärztlicher Aufsicht verabreicht werden darf“
Henrik Weber in einer Pressemitteilung der Technischen Hochschule Köln vom 29.09.2022
Eigenes Herstellungsverfahren entwickelt
Weiter heißt es, dass im Fokus der Arbeit die Synthese von Hydroxynorketamin, als Stoffwechselprodukt von Ketamin stand und die eigentliche antidepressive Wirkung des Stoffes ausmacht. Anders als bei Ketamin weist es laut Weber weder Nebenwirkungen noch Abhängigkeitspotenzial auf. Ziel der Promotion war es, mehrere chemische Abwandlungen, von Hydroxynorketamin herzustellen und auf ihre Wirkung hin zu optimieren. Weber entwickelte für die Synthese der chemischen Abwandlungen ein neues, mittlerweile patentiertes Verfahren, indem er die Grundstruktur des Stoffes mithilfe der sogenannten Diels-Alder-Reaktion konstruiert, bei der Bindungen zwischen Kohlenstoff-Atomen hochselektiv geschaffen werden, woraus sich gute Erträge ergaben.
Verfahren für die industrielle Herstellung geeignet
In Kombination mit der Optimierung der Struktur durch eine Substanzbibliothek erläutert Weber weiter: „Ich habe Bestandteile wie Aryl- und Methylgruppen in der chemischen Struktur von Hydroxynorketamin nach dem Trial-and-Error-Prinzip variiert und den Einfluss der Anpassungen auf die Substanzeffekte analysiert.“ Es entstand eine neue Bibliothek mit neuen Verbindungen aus verschiedenen Kombinationen, mit der sich die Struktur-Wirkungsbeziehungen nachvollziehen ließen. Weber glücklich: „Mit diesem Wissen konnten dann gezielt 20 Derivate mit den gewünschten Eigenschaften hergestellt werden.“
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersucht diese biologisch
Und Weber freut sich über den Erfolg: „Das DLR hat Neuronen, also Nervenzellen, gezüchtet, die mit meinen Substanzen behandelt wurden. Diese Laborversuche haben gezeigt, dass einige Derivate die Neuroplastizität deutlich stärker als Hydroxynorketamin anregen und schon bei sehr niedrigen Konzentrationen wirken, bei denen die Stammverbindung Ketamin noch keinerlei Effekte zeigt.“ Bis zum fertigen, verkaufbaren bzw. zu verabreichenden Wirkstoff ist es noch ein weiter Weg. Die Depressionsforschung ist im Übrigen nicht die einzige Richtung, die von Webers Entwicklung profitieren wird. Die Ergebnisse sind vielversprechend, auch für die Vorbeugung und Behandlung von Demenz, wonach das Erkrankungsrisiko deutlich steigt, wenn Depressionen in der Vorgeschichte nachzuweisen sind. Das von Weber entwickelte Verfahren wird in einer weiteren Promotionsarbeit im Labor von Prof. Dr. El Sheikh daher weiter optimiert.
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