Berlin/Melsungen. Neben einer Definition der Zukunftsaufgaben gab es auf dem sechsten „Forum für Palliativmedizin – Das Leben gestalten“ immer wieder Rückbesinnung auf die zentralen Themen der Palliativmedizin. „Wir brauchen eine Medizin mit Liebe“, erklärte Dr. Peter Reichenpfader, Salzburg, und brachte damit den zu leistenden Spagat zwischen Professionalität und Menschlichkeit in der Begleitung von Menschen am Lebensende zum Ausdruck.
(ddp direct) Dabei ging es um bestmögliche Lebensqualität im Sterbeprozess, die Sterbebegleitung und auch die Auseinandersetzung darüber, wie wir sterben wollen. „Autonomie und Vertrauen sind Fragen der Zukunft“, erklärte der Leiter der Veranstaltung Professor Friedemann Nauck, Göttingen, den Teilnehmern auf der Veranstaltung in Berlin vom 10. bis 11. November 2012.
Weiterentwicklung von Therapiestandards
Die Referenten berichteten in der Veranstaltung der Aesculap Akademie über die Weiterentwicklung von Therapiestandards und die Notwendigkeit der individuellen Behandlung. Viele Beiträge setzten sich reflektierend und mahnend mit den Rollen der Berufsgruppen in der Sterbebegleitung auseinander. Einen wesentlichen Themenschwerpunkt bildete die Definition der Zukunftsaufgaben. „Wie behandeln wir fragile Patientengruppen wie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, Menschen mit Migrationshintergrund, mit schweren Herzerkrankungen und wie gehen wir mit der steigenden Zahl an Demenzkranken um?“, fragte der wissenschaftliche Leiter des Kongresses Professor Friedemann Nauck die Vortragenden.
Zu der Bestimmung der optimalen Behandlungsqualität gehört es, sorgsam mit den Bedürfnissen des einzelnen Patienten umzugehen und genau hinzuhören. „Lebensqualität am Lebensende ist eng verknüpft mit dem Leben des Sterbenden“, erklärte der Lungenfacharzt Dr. Peter Reichenpfader aus Salzburg. Sie zeige sich grundsätzlich in weitestgehender Schmerzfreiheit, Selbstbestimmung und dem Gefühl, nicht allein zu sein. Reichenpfader hatte im Salzburger Hospiz seine Patienten zur individuellen Lebensqualität befragt: „Für den einen ist es das Lachen miteinander, für den anderen noch einmal Musik zu machen.“
Hochbetagte Menschen mit aber auch ohne Demenz sind in der Palliativmedizin die Herausforderung der Zukunft.
Für den Altersforscher Professor Andreas Kruse, Heidelberg, besteht die höchste demografische Dynamik in der Gruppe der über 85jährigen, die bis 2035 von fünf auf bis zu zwölf Prozent ansteigen werde. Im hohen Lebensalter sei die Abgrenzung zwischen chronischer Erkrankung, präfinaler und finaler Phase fast nicht mehr möglich. „Der Mensch entwickelt sich auf den Tod hin, die Verletzlichkeit ist nichts Minderwertiges, sondern die natürliche Ausdrucksform unseres Lebens“, sagte Kruse. Er forderte die Einbindung von Kranken und Alten in unsere Gesellschaft. Ein alter Mensch bräuchte die soziale Einbindung, denn je schwächer er werde, umso mehr müsse er auf seine Umgebung vertrauen können. Dazu gehöre Biografiearbeit, besonders bei Menschen mit Demenz. „Demenzkranke haben noch weit in die Demenz hinein eine klare Vorstellung, ob sie es sind oder ein Anderer eine Handlung ausführt.“
Vertrauen bilden und gewinnen
Vertrauensbildung ist eine grundsätzliche Aufgabe in der Betreuung Sterbender. „Vertrauen entsteht über Mitmenschlichkeit und gemeinsame Erlebnisse, nicht über Rollen, in denen wir nicht gleich sind,“ so beschrieb der Theologe Professor Reiner Anselm aus Göttingen die Schwierigkeiten in der professionellen Begleitung. Professor Friedemann Nauck sieht in der Kompetenzbewertung durch Patienten und Angehörige ein vertrauensbildendes Element. Man müsse die Patienten frühzeitig und kontinuierlich begleiten und prüfen, wer als Vertrauensperson im konkreten Fall in Frage käme. Auch die Vorsorgevollmacht setzt auf Vertrauen. „Das Recht schützt das Vertrauen in die Vertrauensperson“, sagte der Jurist Dr. Volker Lipp aus Göttingen.
Wie sich das Thema Umgang mit Tod und Sterben in die Gesellschaft holen lassen kann, zeigte das Projekt „Lebenskunst Sterben“, das in 2012 in Göttingen aufgegriffen wurde. Kinder, Jugendliche und Erwachsene waren darin aufgefordert, sich in Vorträgen, Theaterstücken und in einer Ausstellungen mit dem Sterben auseinanderzusetzen. Eine wichtige Rolle für die Auseinandersetzung mit der Palliativmedizin in der Gesellschaft spielt laut Nauck die „Charta zur Betreuung Sterbender“. Zu deren Umsetzung haben sich inzwischen über 500 palliativmedizinisch tätige Institutionen verpflichtet.
Die Vorträge der Referenten sind unter www.forum-palliativmedizin.de abrufbar.
Das siebte Forum für Palliativmedizin ist für Freitag, den 8. November und Samstag, den 9. November 2013 geplant. Die Veranstaltungsreihe wird von der Aesculap Akademie und der Universitätsmedizin Göttingen in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ausgerichtet.
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